Gestern Abend noch habe ich einem Freund per e-maile von meiner Schreibblockade berichtet und ihn gebeten, sich noch ein wenig zu gedulden. Ich hatte ihm einen Text angekündigt, ohne in dem Moment eine Vorstellung davon zu haben, wie ich den Begriff meiner Wortneuschöpfung einführen und erklären wollte.
Klar war mir von Anfang an, dass ich den Begriff „Darpanagraphie“ erst einmal erklären muss. Klar war mir aber auch, dass ich das nicht wie einen Wörterbucheintrag machen will.
Mit einem Bekannten, von dem ich wusste dass er aus Indien stammt, aber seit vielen Jahren in Nordeuropa lebt, kam ich vor kurzem in einem Gespräch auf das Thema der erstaunlichen sprachlichen Strukturverwandtschaft zwischen den beiden geographisch so weit auseinanderliegenden Regionen. Die Sprachwissenschaften zählen ja immerhin das Deutsche ebenso wie Sanskrit, die in Indien am weitesten verbreitete ‘Ursprache‘ zur indogermanischen Sprachfamilie. Ich erzählte ihm von meinen künstlerischen Arbeiten und dass sie aus Aneinanderreihungen von Spiegelbildern nach ganz bestimmten selbst auferlegten Regeln entstehen.
„Darpana“ ist also der indische Begriff für Spiegel oder Spiegelbild bzw. Spiegelung. Die Begriffsbedeutung kann aber auch zu ’nicht reale Erscheinung‘, ‘Trugbild‘, bis hin zu ’Fata Morgana‘ reichen, also was im Sanskrit mit ’Maya‘ bezeichnet wird. Und genau darum geht es in meinen Arbeiten. Um die Frage, was ist Sehen, was ist Wirklichkeit, was ist (optische) Wahrnehmung und was ist Interpretation, was sind Sehgewohnheiten und was ist optische Täuschung?
Heute in der Morgendämmerung also erwachte ich, ließ aber meine Augen noch eine Weile geschlossen. Ich fühlte, dass es noch recht früh am Tag sein müsse und konnte mich noch nicht entschließen aufzustehen. Ich ließ also, wie ich es gelegentlich gerne tue, meinen Gedanken freien Lauf und ohne irgendein Zutun meinerseits fiel mir ein wunderschöner Songtext von der grandiosen Joni Mitchell wieder ein: „…I looked from both sides now …“ Plötzlich wusste ich, dass ich genau das mir und den Lesern meines Blogs zumuten muss und darf und will: Ja, seit nunmehr schon über zehn Jahren befasse ich mich zunehmend intensiv mit ‚meiner‘ künstlerischen Ausdrucksform und allem was damit zusammenhängt und dem Kontext, in dem sie steht. Die Ursprünge davon liegen schon viel weiter zurück und beinhalten letztlich meinen ganzen individuellen Weg bis hierher und darüber hinaus. Denn ich habe zeitweise das Gefühl, ich platze vor Ideen und all den immer wieder für mich selbst überraschenden Möglichkeiten und kreativen Verzweigungen der Ausdrucksformen, die ich für mich entdeckt habe. … der Weg entsteht beim Gehen … und ich muss ihn gehen, auch wenn ich an manchen Abzweigungen lange nicht weiß, wohin es weiter geht und wohin mich der Weg führt … In Abwandlung des Joni Mitchell-Textes gestehe ich:
„… I dont know Art – at all“.
Jeder von Euch ist herzlich eingeladen, sich auf das Abenteuer, mich zu begleiten, einzulassen. In den nächsten Beiträgen erzähle ich Euch mehr davon, was ich mache, wie ich arbeite und mit welchen Absichten ich meine Bilder gestalte.