Was hat das alles mit Fotografie zu tun?

Brunnen im Amir Timur-Park

E. Mit diesem Wissen war der Glaube an die Fotografie als das ’Wirklichkeit abbildende Medium‘ schon lange vor Erfindung und Entwicklung von KI nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Kritische Köpfe unter den Fotokünstlern brachte solche und andere Überlegungen schon in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts dazu, die Objektivität ihrer Objektive nicht nur in Zweifel zu ziehen, sondern aus ihrem Schaffensprozess konsequent zu verbannen, aber ihrem künstlerischen Material, nämlich dem ’reinen‘ Licht und der lichtempfindlichen Schicht ’teu‘ zu bleiben.

Damit kam in die Welt, was in Man Ray, Moholy-Nagy und in der Dada-Bewegung seine Vorläufer hatte und bald unter dem von Gottfried Jäger geprägten Begriff der ’Generativen Fotografie‘ als eigenwillige und eigenständige Kunstform sich entwickelte.

Das ‘Schreiben mit Licht‘(Fotografie) hat sowohl von Seiten der Fotografie als auch von Seiten der Malerei schon vorher und seitdem immer wieder konsequente und radikale Impulse erhalten. Beispielhaft sei hier die österreichische Künstlerin Inge Dick, der Schweizer Roger Humbert, der Belgier Pierre Cordier und die Österreicherin Gundi Falk erwähnt.

Katharina Lang schreibt für die ’photo edition berlin‘ (www.photoeditionberlin.com) über Roger Humbert (*1929, t 2022) und sein künstlerisches Schaffen: „Entsprechend seinem wachen Charakter und seiner unstillbaren Neugierde verwendet …(er)… Licht als zentrales Element seines Interesses (und) beginnt sich … zu fragen, wie der menschliche Sehapparat funktioniert. Wie sind Gegenstände und Licht wahrnehmbar, was passiert in unserem Gehirn? Es sind hochkomplexe Prozesse, die stattfinden, bis äußere Gegenstände im Sehzentrum des Großhirns zum Bild werden – …  ein Faszinosum für Humbert. Und gleichzeitig auch der Ort, wo seine bildlichen Vorstellungen dessen, was er mit der digitalen Technik erreichen möchte, heranwachsen. Die Arbeit … führt schließlich zu Überlegungen und Fragen nach ‘künstlicher‘ und echter Intelligenz. Wobei letztere, gemäß Humbert, entscheidend ist, da nur sie die unabdingbare Kreativität besitzt.So gelingt es ihm, seiner Intention und Bildsprache treu zu bleiben und … aus Licht Strukturen zu erzeugen, Lichtbilder aus digitalen Codes zu komponieren.“

An der künstlerischen Fragestellung, die Katharina Lang so treffend sprachlich kondensiert, hat sich für mich nichts geändert. Ohne überhaupt den Namen Humbert damals je gehört zu haben, treibt mich genau diese Fragestellung nun schon weit über zehn Jahre lang in meinem kreativen Schaffen ebenso um.

Selbst aus historischer Perspektive  mag ich persönlich den Begriff des ‘Vorbilds‘ nicht, weil er mir immer den abwertenden Vorwurf der Nachahmung zu insinuieren scheint. Auch wenn die Fragestellungen oft dieselben oder ähnliche sind, so sind die technischen Mittel, die uns dabei zur Verfügung stehen und die wir individuell auswählen zu jeder Zeit ebenso unterschiedlich, wie die Herangehensweisen und die Ergebnisse, die wir anbieten. Jeder ist auf seine Weise ’Inspirierter‘.

Unabhängig davon, ob meine Analyse des menschlichen Sehens und die Schlussfolgerungen, die ich daraus ziehe, sich in allen Details der Medizin, der Physiologie, der Neurologie oder Psychologie im klassischen Sinne ‘wissenschftlich‘ so erhärten lassen, haben sie immerhin mich selbst in meinen kreativen Prozessen begleitet und vorangebracht, mit denen es mir darum geht, Sehgewohnheiten infrage zu stellen und ich andere Menschen möglicherweise anregen kann, ihrerseits neue Wege des kritischen Denkens oder  des Umsetzens in kreativen Prozessen für sich zu finden und zu beschreiten.


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