Grafische Elemente und Symbole. Funktionen und Bedeutungen

White Garden Fantail

Betrachter meiner bildnerischen Arbeiten mögen sich gelegentlich Fragen, warum ich nicht ’nur‘ mit inszenierten Fotografien ’spiele‘, sondern das auch noch mit Farben und grafischen Elementen kombiniere? Sind das nur ästhetisch-dekorative Spielereien oder welche Absicht mag der Künstler damit verfolgen?

Wie jeder ’Bildgestalter‘ beschäftige ich mich seit den Anfängen meiner Laufbahn natürlich auch mit Fragen der Bildkomposition, mit Stilfragen, Ästhetik und Kommunikationsdesign. Viele der theoretischen Konzepte und Ideen, die ich gesucht und im Laufe der Jahre gefunden, studiert und für mich geprüft habe, erwiesen sich letztlich als empirisch wenig tragfähig. Dennoch bin ich im Rückblick dankbar dafür, mich damit auseinandergesetzt zu haben denn sie sind natürlich nicht ’spurlos‘ an mir vorübergegangen.

Während meiner Jahre an der Universität habe ich, zeitweise durchaus strebsam und ehrgeizig, gelernt, wissenschaftlich zu recherchieren und zu analysieren und theoretischen Gedankensystematiken zu folgen, auch wenn Vieles davon an meinem Pragmatismus, den ich mir erst erarbeiten musste, letztlich gescheitert und zerschellt ist.

Wie ich in meinem Beitrag zur (optischen) Wahrnehmung dargelegt habe, gehe ich als gelernter Kommunikationsdesigner davon aus, wie meine (bildhaften) Äußerungen rezipiert werden können. Meine Konzepte sind also möglichst vom Empfänger her gedacht.

So, wie ich in der Schriftsprache bestimmte grammatikalische Regeln einhalten muss, wenn ich mich gegenüber meiner Zielgruppe verständlich artikulieren will und auch Satzzeichen wie Kommata, Punkt, Gedankenstrich oder Klammern und andere nach allgemein bekannten und anerkannten Regel verwende, so benutze ich in meinen Darpanagrammen grafische Elemente wie Linien und andere geometrische Formen und/oder Flächen, um die ’Lesbarkeit‘ zu erleichtern, auf bestimmte Grundmuster hinzuweisen und Zusammenhänge absichtsvoll erfassbarer zu machen. Allerdings habe und nutze ich das künstlerische Privileg, dass ich die ’Regel‘ nach der ich handle weitestgehend selbst nach subjektiven Erfahrungswerten bzw. allgemeinen Gestaltungsgrundsätzen anwende. Dazu kommt die Möglichkeit des und die Erwartungshaltung gegenüber dem ’frei‘-schaffenden Künstler, Grenzgänger, Regelbrecher und Provokateur zu sein, der immer auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, Doppeldeutigkeiten oder Zusammenhängen ist. In letzterem Sinn setze ich Farben, ähnlich wie Musiker, Sänger oder Komponisten ihre Töne, sowohl als Harmonien bildende Komponente als auch ähnlich eines Kontrapunkts in der Musik oder als provokativen Kontrast ein.

Noch einmal zurück zu den grafischen Elementen in meinen Darpanagrammen: Seit es Kunst gibt und seit es Kunstgeschichte gibt, existiert in jedem Kulturkreis eine ungezählte Menge an figürlichen oder formalen Symbolen, derer sich die Künstler bedienen konnten und bedient haben. Je restriktiver die gesellschaftlichen Bedingungen waren oder sind, unter denen Künstler nach Ausdrucksformen für ihre Fragestellungen oder aufklärerischen Bestrebungen suchen, desto mehr sind sie quasi aus Selbstschutzerwägungen gezwungen auf eine symbolträchtige Formensprache zurückzugreifen oder eine solche zu entwickeln. Entsprechend hat jede Epoche ihre eigenen mehr oder weniger versteckten ’Codices‘, die ganze Lexika  füllen und heutzutage für jeden, der sich dafür interessiert relativ leicht übers Internet zugänglich sind. Hieronymus Bosch war gewiss ein ganz großer Meister darin und im Genre der Stillebenmalerei konnten Künstler nicht nur ihr Können in der Bewältigung unterschiedlichster Texturen unter Beweis stellen, sondern gleichzeitig durch die Auswahl und Zusammenstellung der einzelnen Bildelemente, Beherrschung von Kompositionsprinzipien und Lichtführung demonstrieren und auch vielschichtige Symbolik transportieren.

Viele alte Gemälde sind heute für uns u.a. deshalb schwer verständlich, weil wir in unseren freiheitlichen Gesellschaften kaum noch gewohnt sind ’symbolisch‘ zu denken, sondern eher die Dinge die uns bewegen, direkt konfrontativ artikulieren. Und dennoch ist auch in ’modernen‘, zeitgenössischen Bildern häufig ein vielschichtiger Symbolekanon ’versteckt‘.

Darpanagramme erschaffe ich mit der Intention, dem Betrachter ’Attraktionen‘ anzubieten, die ihn nach der ersten spontanen Zustimmung dazu ’verführen‘ sollen, genauer hinzuschauen, die Oberfläche zu hinterfragen und sich auf Details der Darstellung einzulassen, die ihm neue assoziative Muster und Formen erschließen, die er so nicht erwartet hat wahrzunehmen.

Fast alle Grundformen, aus denen ich meine Darpanagramme aufbaue, egal ob es Acht-, Sieben-, Sechs-, Fünf-, Vierecke, Quadrate oder Rauten sind, lassen sich auf Dreieckformen zurückführen. Damit sind wir mitten in der Nummerologie und Zahlenmystik, die in sich ein System von Symbolen darstellt. Der Kreis als die ’perfekte Form‘ trägt immer hohen Symbolwert in sich und das Dreieck transportiert, je nach Lage und Positionierung in der
(Bild-)Fläche ganz unterschiedliche, ja sogar gegensätzliche, widersprüchliche oder einander ergänzende symbolische Bedeutung -en!

Beispielsweise kann das ’Logo‘, das wir als Davidstern kennen, als zwei ineinandergeschobene Dreiecke gesehen werden, von dem das ’aufsteigende‘ Dreieck das männliche Prinzip, das ’absteigende‘ das weibliche in einer dualen Welt symbolisiert. Die beiden Dreiecke sind nicht zufällig so miteinander verwoben, dass ein – gedachter – Kreis um die beiden Grundformen diese symmetrisch, also ’gleichwertig‘ umschließt.

Das Yin-Yang-Zeichen als Symbol für die Einheit der polaren Welt stellt in der Bildsprache den Übergang zu den unmittelbar und spontan verständlichen ’floralen‘ oder ’vitalen‘ Formen dar, die sich auf überraschende und manchmal auch für mich nicht absichtsvoll planbare Weise bei der Montage der Darpanagramme enthüllen.

An anderer Stelle habe ich schon darauf hingewiesen und ausgeführt, dass und warum jeder Betrachter in Darpanagrammen andere Dinge sehen, erkennen und entdecken kann, abhängig davon, über welchen und wie ausgeprägten individuellen Formenschatz er in seiner Wahrnehmung verfügt.


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