In Europa und dem christlich-westlichen Kulturkreis insgesamt scheint es mir nötig, bevor ich auf diesen mir wichtigen Zusammenhang eingehe, eine Begriffsklärung zu versuchen.
Der Begriff Meditation leitet sich aus dem Lateinischen bzw. Altgriechischen her und meint ungefähr ’In sich selbst versenken‘, ’zur eigenen Mitte finden‘, das beschreibt im altindischen Sanskrit das Wort ‘Dhayana‘ und meint Techniken/Übungen, die dabei helfen, einen Zustand zu erreichen, der traditionell als ’Samadhi‘ bezeichnet wird. Zu um- bzw. beschreiben ist Samadhi als Zustand unvoreingenommener, alle Sinne einschließender Aufmerksamkeit in Präsenz (also im ’Hier-und-Jetzt‘) ohne ’Konzentration‘.
Zwar wird der Begriff ’Meditation‘ landläufig häufig noch mit fernöstlichen religiösen Riten assoziiert, auch wenn Ähnliches aus der christlichen Mystik tradiert ist, aber die Auffassung, dass Meditation überkonfessionell, also glaubensunabhängig praktiziert werden kann, scheint sich mehr und mehr durchzusetzen.
So vielfältig heutzutage verschiedenste Übungssysteme und Meditationsschulen sind, lassen sich grundsätzlich ’dynamische‘ und ’stille‘ Meditationen unterscheiden. Eine der wesentlichen Voraussetzungen, um zur eigenen inneren Mitte zu finden, die von den meisten (westlich) kultivierten Menschen -wenn überhaupt- nach oft jahrelanger regelmäßiger Übung erreicht werden kann, ist den Gedankenfluss (vorübergehend) zum Stillstand zu bringen, eine nicht als bedrohlich empfundene ’Leere‘ in sich zu erfahren. Dann erst, so beschreiben es viele Meditationsschulen, sei man bereit, ‘göttliche‘ Inspiration zu empfangen …
Eine weit verbreitete Meditationstechnik besteht darin, sogenannte ’Mantren‘ zu singen. Mantren sind bestimmte, sich wiederholende Laute oder Lautfolgen, die den oft ruhelosen Gedankenfluss durch Wiederholung zuerst beschäftigt halten und die Atmung verstetigen, mit zunehmender ’Automatisierung‘ der Lautfolgen in eine Richtung lenken, bevor er mehr und mehr zur Ruhe kommen kann.
Schon vor Jahren, als ich mich immer intensiver mit dem Wesen von Darpanagrammen beschäftigte und von mir nahestehenden Personen gelegentlich gefragt wurde, was ich da mache, habe ich für mich eine Erklärung formuliert:
„Es liegt in der Natur unserer Sinne, dass wir stets in das beinahe ununterbrochen auf uns einströmende Chaos der Eindrücke ein wie auch immer geartetes System zu bringen versuchen. Das gilt für taktile ebenso wie für akustische und auch für optische Signale. Mit dem Sehen verorten wir unsere Wahrnehmungen möglichst im dreidimensionalen Raum. Grundmuster und Symmetrien, also Wiederholungen bzw. Analogien, helfen uns bei der Strukturierung von und der Orientierung in unserer Umwelt.
Darpanagramme sind wie Mantren. Unabhängig von den stilistischen Ausprägungen finden sich Grundstrukturen von Darpanagrammen in nahezu allen von Menschen gestalteten Kulturen.
Wenn sich, abhängig vom Betrachtungsabstand, jeweils neue Bezüge von Objektteilen zueinander dem Betrachter erschließen und damit der Spannungsbogen zwischen hilfreicher Wiederholung und Aufmerksamkeit haltender Neuentdeckung ausgewogen ist, wird das Objekt von den meisten Menschen als ’harmonisch‘ und damit als angenehm wahrgenommen.“
Wenig später fand ich in dem Buch „Der Takt des Lebens“ von dem Herzspezialisten Dr. med. Reinhard Friedl einen Abschnitt, dessen inhaltliche Kongruenz zu meinem Erklärungsversuch mir so frappant erscheint, dass ich ihn Euch nicht vorenthalten mag.
Auf Seite 159 in dem 2019 bei Goldmann in München erschienenen sehr lesenswerten Taschenbuch schreibt Dr. Friedl: „… Die Phasensynchronisation von Herzen wurde (auch) bei Chorsänger/innen beschrieben und es scheint (mir) logisch. Wenn sie (gemeinsam) ein Lied singen, müssen sie auch annähernd gleich atmen. Die koordinierte Atmung ist möglicherweise ein Impulsgeber, der andere oszillierende Systeme wie die Herzen der Mitsänger/innen, gleich taktet.
Kohärenz zwischen Herzen erwachsener Menschen tritt besonders stark beim Singen von Mantren … auf. (und)… zeigen, dass wir in einer gemeinschaftlichen Tätigkeit unsere ego-zentrierte Weltsicht (tendenziell) zugunsten einer gemeinsamen Perspektive aufgeben. Viele unserer inneren und äußeren Sinne spielen in diesem Konzert der Kohärenz mit …“
Diese Beschreibung deckt sich weitestgehend mit meinen eigenen Erfahrungen sowohl mit dem gemeinschaftlichen Singen von Mantren, als auch in Meditationsübungen. Je tiefer ich mich auf die Thematik und Komplexität von Darpanagrammen nicht nur intellektuell einlasse, sondern im Schaffensprozess selbst meditativ ’versinke‘, desto zufriedener fühle ich mich später mit den Ergebnissen. Mit denjenigen meiner Arbeiten, von denen ich selbst am meisten ’überzeugt‘ bin im Sinne, dass sie mir selbst als ’gelungen‘ erscheinen, beobachte ich intuitiv auch an Betrachtern die spontan stärkste Wirkung. Ich schließe daraus, dass ich einerseits selbst mich vermutlich ohne tiefe Meditationserfahrung nicht oder zumindest nicht so zur Darpanagrafie als meiner Ausdrucksform hin hätte entwickeln können. Andererseits sehe und spüre ich, dass Betrachter, von denen ich weiß, dass sie selbst Erfahrungen mit Meditationsübungen gemacht haben, sich von meinen Bildern besonders angesprochen fühlen.
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