Ästhetik in der bildhaften Kunst

Wellhornschneckengehäuse

Rund um unsere Erde sind Bibliotheken voll mit Büchern, deren Inhalte um dieses Thema kreisen. Manche Epochen haben ‘ihre‘ Theorien dazu hervorgebracht. Meist muten sie heutzutage eher absonderlich an, halten jedenfalls einer wirklich kritischen -und pragmatischen- Überprüfung nicht stand.

Bevor ich mich hier auf eine inhaltliche Auseinandersetzung einlasse muss ich in Voltaire‘scher Tradition aber erst eine Begriffsklärung versuchen:

Schlägt man in einem Lexikon nach, findet man zum Begriff „Ästhetik“ Erklärungsversuche wie, … die Lehre/Wissenschaft von der Schönheit“ oder ähnlich formuliert. Das Wort selbst ist aus dem Griechischen ’aisthesis‘ hergeleitet, das in der Regel mit „Wahrnehmung“ oder „Empfindung“ übersetzt wird.
Grundsätzlich geht es also um die Frage mit welchen Sinnen und wie wir Menschen Reizimpulse unserer Umgebung aufnehmen und verarbeiten, wie unsere Sinnesorgane zusammenwirken und warum und wie welche Empfindungen und Gefühle dadurch in uns ausgelöst werden.

Also könnte man allgemein Fragen der Ästhetik der Psychologie zuordnen. Das allein wäre allerdings zu kurz gegriffen, denn so könnten Kategorien wie Stilentwicklungen, Zeitgeschmack oder Modeerscheinungen kaum erfasst, erforscht oder erklärt werden. Also sind wir, wenn wir anerkennen, dass ausgelöste Gefühle nicht nur rein individuellen und subjektiven Kriterien folgen, schon mitten in der Kultursoziologie. Erschwerend kommt hinzu, dass schon lange bevor die Psychologie mit ihren Bemühungen begonnen hat, sich als Wissenschaft, insbesondere als Naturwissenschaft, zu etablieren, sich die Philosophie von alters her mit Fragen der Ästhetik konfrontiert sah und sich damit beschäftigt, ja sich als ureigen ’zuständig‘ erklärt hat.

Haben wir beobachtet oder selbst erfahren, dass Sinneswahrnehmungen (auch solche optischer Natur) im Extremfall nicht ‘nur‘ Gefühle, sondern heftige körperliche und seelische Reaktionen auslösen und Folgen haben können, finden wir uns mit der Ästhetik unvermittelt im angestammten Bereich der Humanmedizin wieder.

Ihr werdet hier von mir keinen Beitrag zur Kulturgeschichte der Ästhetik zu lesen bekommen. Das haben bessere Denker und Schreiber vor mir geleistet und es ist bei Interesse alles leicht recherchierbar und nachzulesen.

In der heutigen Kunstauffassung darf davon ausgegangen werden, dass sich die Ästhetik nicht mit der Frage nach dem ’Schönen‘ im alltagssprachlichen Sinn zufrieden gibt, sondern jegliche Gefühlsregung, die durch (optische) Eindrücke ausgelöst ist, für sie von gleichem unvoreingenommenem und wertfreiem Interesse ist. Darin unterscheidet sie sich grundsätzlich vom Design und der Werbeästhetik.

Um es an wenigen Beispielen zu verdeutlichen: Wohl niemand in der sogenannten ’zivilisierten‘ Welt wird ernsthaft bezweifeln wollen, dass beispielsweise die berühmten „Caprichos“ oder gar die „Desastres de la Guerra“ von Francisco Goya (*1746 – t1828) nicht im alltäglichen Sinne ’schön‘ zu nennen sind. Mit ihrer hoch verdichteten Bildsprache und der Schilderung und Darstellung der allgegenwärtigen Brutalität und des Grauens im Spanien der damaligen Zeit sind sie dennoch von höchster künstlerischer Bedeutung und nicht nur von pekuniärem ‘Wert‘ auf dem Kunstmarkt. Pablo Picassos (*1881 – t1973) „Guernica“ mag als zeitgenössisches Beispiel, das vielen bekannt ist, genügen. Die Liste ließe sich von frühesten Werken der bildhaften Kunst bis in die unmittelbare Gegenwart nahezu ’endlos‘ fortsetzen.

Unter dem Druck, dem die bildhaften Künste nach der Erfindung und dem rasanten technischen Fortschritt der Fotografie (ab ca. 1840) ausgesetzt waren, entwickelten sie sich vermehrt hin zu ungegenständlichen Motiven und Ausdrucksmöglichkeiten, wo die Fotografie ihnen (noch) nicht ‘das Wasser abgraben‘ konnte. Immer mehr ging es in der Malerei um ‘Impression‘ und ’Expression‘, um Intuition und Intention und Intensität. Immer deutlicher wurde, dass nicht (nur) das handwerkliche Können über die künstlerische Qualität eines Werkes entscheidet. Auch und vor allem geht es um die Imaginationskraft des Kreators und inwieweit es ihm als Künstlerpersönlichkeit gelingt, seine Absicht, die er mit der Bildidee  für den Betrachter/ Kunden/‘Kunstkonsument‘ erkennbar transportiert, in sein(em) Werk zu kondensieren.

Damit hat die Fotografie als eine von vielen Techniken in den bildhaften Künsten wesentlich dazu beigetragen, diesen so unsäglich unkonkreten Begriff der Ästhetik philosophisch-künstlerisch neu zu durchdringen und ihn dem ’Mystischen‘ und ’Metaphysischen‘ („Schönen“) zu entreißen, einem zeitgemäßen wissenschaftlichen Ansatz zugänglich(er) zu machen.

Mit diesem zeitgemäßen, operationalem Ästhetikbegriff können zwar einige historische Postulate als überholt abgelegt werden, gleichzeitig ergeben sich daraus und mit der jüngsten Entwicklung der visuellen Medien eine Vielzahl neuer bzw. neu zu stellender und zu beantwortender Fragen in Hinblick auf die Stellung und Funktion visueller Medien und damit auch der bildhaften Kunst in und für die Gesellschaft. Dazu werde ich mich in weiteren Beiträgen eingehender äußern.


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