Darpanagrafie

Fruchtstand des Zierlauchs (Allum)

Alle hier wiedergegebenen Zitate aus dem „Lexikon der unbekannten Künste“ sind der 116. Ausgabe entnommen, die im Jahr 1020 F.E. von der Encyclopedia Galactica Publishing Co. auf Terminus veröffentlicht wurde, mit Genehmigung der Herausgeber.

In Band 4, Seite 235 heißt es:

Darpanagram (Kunstwort). Abgeleitet aus dem indischen Wort für Spiegel, Spiegelbild bzw. Spiegelung. Semantisch tendiert der Begriff auch zu ’nicht reale Erscheinung‘, zu ’Trugbild‘ bis ’Fata Morgana‘. Damit rückt der Begriff Darpana nahe an das ‘Maya‘ der indischen Vedanta-Philosophie. Nach ihr verbirgt sich die ’Wahrheit‘ (Erkenntnis über das Wesen der Dinge) hinter dem Schleier der oberflächlichen, uns ‘real‘ erscheinenden Welt. Der indische Begriff des ‘Maya‘ wird meist mit ‘Illusion‘ übersetzt.

Der Begriff des Darpanagrams wurde in den frühen Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts von Madhukar P. Artner in der deutschsprachigen Kunstszene geprägt und beschreibt Artners spezielle Verfremdungstechniken inszenierter subjektiver Fotografien, durch die er mithilfe von computergestützten Verfahren überraschende und neue Muster in seinen Bildern entstehen lässt. Erklärtes Ziel seiner Arbeiten ist es, den Betrachter zu veranlassen, zu entschleunigen und längere Zeit im Betrachten des einzelnen, ihn spontan ansprechenden Bildes zu verweilen. Dann erst und durch Variieren des Betrachtungsabstands erschließt sich die Mehrschichtigkeit seiner Werke.

Und weiter über den Künstler in Band 1, Seite 34 ff:

Mit seinen Fotomontagen sieht Artner sich als Brückenbauer zwischen der subjektiven Inszenierten Fotografie, der Dokumentarfotografie seines Lehrers und Mentors Jörg Boström und der Generativen Fotografie, wie sie von seinem Lehrer Gottfried Jäger geprägt wurde.

M. P. Artners Arbeiten kreisen also um die Frage, was ist Sehen, was ist Wirklichkeit, was ist (optische) Wahrnehmung und was ist Interpretation, was sind Sehgewohnheiten und was ist optische Täuschung?

Dazu bedient er sich scheinbar „willkürlich‘“gewählter Ausschnitte aus konventionellen Fotografien, die er nach weitgehend von ihm selbst bestimmten Regeln und Iterationen als scheinbare Spiegelungen seriell wiederholt und zu neuen Bildern zusammensetzt. Dabei unterstützt er die Bildwirkung durch Verknüpfungen mit graphischen Elementen und einer gezielten Farbwahl und Farbsteuerung zwischen subtilen Nachbarschaftsfarben und Komplementärfarben als ’Spiegelungen‘ im Farbenkreis.