Mit Licht schreiben

Brunnen im Amir Timur-Park

Die Dimension der Zeit in der Fotografie

Obwohl auch wir Fotografen ständig auf vielfältige Weise mit dem Phänomen Zeit beschäftigt sind, machen wir uns diese Dimension der Bilderzeugung in unserer täglichen Arbeit erstaunlich selten wirklich bewusst. Wenn wir die Belichtungszeit nicht der Automatiksteuerung unserer Kamera überlassen und uns vordringlich auf die Inszenierung unserer Fotos konzentrieren, treffen wir -mehr oder weniger ‘bewusst‘- vor jedem Drücken des Auslösers auch eine Entscheidung darüber, welchen Bruchteil des unaufhaltsamen Zeitkontinuums wir der ständigen Veränderung ’entreißen‘, weil wir glauben, aus irgendeinem Grund mit unserer Fotografie etwas festhalten zu wollen oder gar ’im Interesse anderer‘ als Profession(?) zu ’müssen‘.
Durch das, was wir uns als (fototechnischen)‘Fortschritt‘ täglich zunutze machen, lösen wir heutzutage beinahe jedes Foto ’im Vorbeigehen‘ im Bruchteil einer Sekunde aus der Hand aus. In fast den ganzen ersten hundert Jahren der fototechnischen Entwicklung war aber eine fotografische Aufnahme ohne (schweres und umständliches) Stativ im Normalfall selbst bei kräftigem Sonnenlicht und Belichtungszeiten von mehreren Minuten bis einigen Sekunden nahezu undenkbar.

Alles fließt …

Heraklits “panta rhei“ (alles fließt) umreißt seine beinahe zweieinhalbtausend Jahre alte Erkenntnis, dass alles ständig im Wandel begriffen ist. Das unaufhaltsame Zeitkontinuum differenziert sich in den Dingen des Werdens und Vergehens lediglich im Tempo. Die gesamte Dokumentarfotografie ist ein Versuch, einen möglichst kleinen, nur (noch) Sekundenbruchteile dauernden Augenblick, festzuhalten. Entweder für Personen, die nicht zur selben Zeit am selben Ort sind/sein können (Journalismus), oder für spätere Generationen zur Konservierung historischer Informationen. Die Grenzen zwischen beiden Intentionen sind natürlich fließend (siehe oben!).

Die Belichtungszeit als Gestaltungsmittel

Moderne Fotografie macht durch die Wahl des Augenblicks einerseits Dinge sichtbar, die das menschliche Auge ohne sie nicht zu erfassen imstande ist, andererseits erzeugt sie auch Eindrücke, die am Maßstab des menschlichen Auges gemessen, ’unrealistisch‘ sind, wie sich an Bewegungsunschärfen in Fotos leicht zeigen lässt.

Kombination optischer Effekte

Glücklicherweise lässt sich häufig ein Ersatz für das Fehlen eines Stativs finden. Für das Ursprungsfoto zu diesem Darpanagram reichte mir in einer lauen Sommernacht in Samarkand die stabile Abdeckung eines öffentlichen Abfallbehälters, um mir durch eine erzwungen lange Belichtungszeit sowohl den ’Glasfasereffekt‘ des farbigen Lichts im Wasserstrahl als auch den Effekt der Bewegungsunschärfe der Fontänen nutzbar zu machen.


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2 Antworten zu „Mit Licht schreiben“

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