Die Hinwendung zum ’Absoluten‘

Portal einer Medrese

Die Sprache der Architektur

Reist man in Ländern, in denen der Islamische Glauben nicht nur ’Staatsreligion‘ ist, sondern die Gesellschaft durchdrungen hat, stößt man auf beeindruckende Kunstwerke, bei deren Anblick spürbar bewusst wird, wie umfänglich er bis in die individuellen Denk-, Empfindungs- und Handlungsstrukturen hinein wirksam ist. Auch wenn mich dies durchaus zwiespältig berührt und mir auch ’kritisch‘ zu denken gibt, muss ich doch einräumen, dass mich die Resultate durchaus tief beeindrucken. Besonders in der Architektur gibt es viele Beispiele dafür. Auf den ersten Blick sind viele Bauwerke, unabhängig davon, in welcher geschichtlichen Periode sie entstanden sind, erstaunlich ähnlich.
Da die Lebensregeln in islamisch geprägten Kulturen sich im Lauf der Geschichte nur wenig und langsam verändert haben und auf ihre Einhaltung meist sehr streng geachtet wurde und wird, erschließen sich stilistische Feinheiten nur, wenn man bereit ist, sich in ihrer Tiefe und Subtilität auch wirklich darauf einzulassen.

Allem wohnt Symbolik inne

Die Dogmen des Islam lassen nur wenig ’künstlerische Freiheit‘ zu. Folglich wird alles, was ’erlaubt‘ ist mit Symbolik befrachtet, also bleibt buchstäblich nichts dem Zufall überlassen.
Auf westliche Touristen macht das schnell den Eindruck der ’dekorativen Spielerei‘, mich erinnert vieles in der islamischen Architektur an die Stilperiode der Gotik in Europa. Das liegt nicht nur an der Ähnlichkeit der islamischen Portale zum gotischen Spitzbogengewölbe, die statisch oder technisch bedingt sein mag.  In beiden Fällen steht die Absicht, durch monumentale Größe und dem Streben zum Himmel, also in ‘göttliche‘ Richtung, zu beeindrucken. Auch in der Farbwahl liegt Symbolik: Weiß, das ’absolute‘ Licht, das Vollkommene, gilt als göttlich. Blautöne weisen auf den Himmel hin, symbolisieren Glück und Erlösung. Grüntöne stehen für Leben, Fruchtbarkeit, Reichtum und das Paradies. Gelb- und Brauntöne versinnbildlichen Erdverbundenheit, Solidität und Bescheidenheit. Die feinsten Farbnuancen spielen da zusammen.

Die Zahlensymbolik ist nicht ’zufällig‘

Als Ausgangsmotiv dient hier das imposante Portal einer Medrese (Koranschule) mit weißem Stuck im Spitzbogen. Die hohe Front ist mit Fayence in fein abgestuften Blau-, Grün- und Türkistönen belegt.
Die Sechzehntel-Teilung, aus der eine Achtfachstruktur entsteht, die im Zentrum zu einer Vierfach-Wiederholung verdichtet ist, findet seine Begründung in der Zahlenmystik, die der Vier die göttliche Vollkommenheit und damit der 8 die Unendlichkeit (doppelte Vollkommenheit), die Wiedergeburt und die (erfüllten) Lebenszyklen zuweist.


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