Normatives Faktum und romantische Symbolik
Zu Recht wird der so genannten ’Blauen Stunde‘ in der Farbsymbolik zumindest in den bilderzeugenden Künsten von je her etwas ’Magisches‘ zugeschrieben. Auch Schriftsteller, Komponisten und Musiker haben sich immer wieder dieser besonderen Tageszeit bedient, um Stimmungen zu transportieren oder Emotionen auszulösen oder Beschreibungen symbolträchtig aufzuladen. Schon bevor es gelang, Licht als Phänomen wissenschaftlich zu verstehen und zu definieren und damit auch die Besonderheiten der ’Blauen Stunde‘ vom übrigen Tageslicht zu unterscheiden und wissenschaftlich exakt zu beschreiben, haben Maler sich in ihren Arbeiten auf ebenso ’romantische‘ wie pragmatische Weise damit beschäftigt.
Aber erst als die technologische Entwicklung der Farbfotografie es erlaubte und in der Lage war, ‘Tageslichtfilme‘ und ‘Kunstlichtfilme‘ auf den, hohe Gewinne versprechenden, Amateurmarkt zu bringen, erreichte der ’Fachbegriff’ der Blauen Stunde und damit ihre Besonderheiten das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit.
Ein spielerisches Experimentierfeld
Zwar gibt es geringfügige Definitionsunterschiede zwischen den Wissenschaftszweigen, die sich mit dem Phänomen der Blauen Stunde befassen. Für die Praxis des Fotografierens während dieser Tagesphase entscheidend ist aber neben technischen Rahmenbedingungen (Empfindlichkeitseinstellung und Kontrastverhalten des Sensors, Weißabgleich u.a.m.) die eigene Erfahrung, die letztlich nur über probieren und experimentieren mit der individuell zusammengestellten Ausrüstung zu gewinnen ist. Dieser letzte Satz ist von mir nicht nur ’technisch‘ gemeint. Ebenso wichtig ist es, sich auch ganz persönlich emotional auf die Blaue Stunde einzulassen, bevor man zur Kamera greift.
Und ohne es beabsichtigt zu haben ist jede/r die/der sich eingehend mit der Blauen Stunde beschäftigt mitten in dem Themenkomplex der vierten Dimension. Die Zeit muss bei allen sogenannten ‘lens-based arts‘ vom ‘Produzent‘ ebenso wie vom ’Konsument‘ immer mitgedacht werden.
Farbsymbolik und Formensymbolik im Einklang
Eine der ’wunderbaren‘ Eigenschaften von Fotos, die während der Blauen Stunde entstehen, ist die tiefe Sättigung von Blautönen, die zu keiner anderen Tageszeit so fein abgestuft oder – abhängig von der Intention der/des Fotografierenden – in so hartem Kontrast gegen ebenso tief gesättigte komplementäre gelb-orange-rot-Töne gestellt werden kann. Das ist nicht nur für Fotografen/innen herausfordernd und reizvoll zugleich, sondern bietet dem Künstler immer wieder auch eine verlockende Chance, Betrachter seiner Werke in mystische Stimmungen einzufangen und/oder damit symbolisch zu befrachten. Diese ’twilight zone‘ der Blauen Stunde kann eben auf Übergangsphasen und Ambivalenzen hinweisen, auf ’Unheimliches‘ und ’Verborgenes‘, was häufig emotional mit ’Verunsicherung‘ und ’Bedrohung‘ assoziiert wird. In englischsprachigen ist die Verbindung zum ‘Blues‘ oder der ’blue mood‘ viel offensichtlicher als in anderen Kulturen.
Das mitgedacht erzwang für mein Darpanagram die Anlage als achteckige Grundstruktur. Die Acht steht ja in der Numerologie für Untergang und Neubeginn, also für Veränderung, Zukunft und Unendlichkeit, also das ’glückliche‘ (weil ’verstandene‘) Leben. Damit schwingt eine philosophisch-spirituelle Verbindung zur hinduistisch-buddhistischen Mystik des ’Samsara‘ und ’Nirvana‘ mit.

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