Historismus und Kunstbetrachtung im Wandel der Zeit

Kunsthistorisches Museum

Architektur, Geschichte und Kunst

Selbst diejenigen Besucher der österreichischen Hauptstadt Wien, die sich wenig oder gar nicht für Kunst interessieren, kommen um das Zwillingsen-semble des Kunst- und des Naturhistorischen Museums und dem von ihnen eingerahmten Maria-Theresien-Platz als Gesamtkunstwerk nicht herum. Unter Mitwirkung des Architekt G. Semper wurde es direkt gegenüber dem Burgtor an der weltberühmten Ringstraße während der zweiten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts auf Initiative des Kaisers Franz Josef I konzipiert und im Stil des Historismus errichtet.
Heute zählt es zu den größten und bedeutendsten Museen für bildhafte Kunst weltweit.

‘Aus der Zeit gefallen‘ und hoch aktuelles ‘Kulturerbe der Menschheit‘

Gemessen an dem, was wir heute als Österreich kennen, stellt sich das Kunsthistorische Museum in Wien als in vielerlei Hinsicht völlig überdimensioniertes und aus der Zeit gefallenes monströses Ungetüm dar. Gleichzeitig ist es zu Recht ein ’Weltkulturerbe‘ der UNESCO.

Versuchen wir uns in die Empfindungs- und Ideenwelt eines in dynastischen Dimensionen denkenden Kaisers zu versetzen: Ihm war es  gerade gelun-gen, nach den bedrohlichen Aufständen der Jahre 1848 bis 50 seinen riesigen Vielvölkerstaat wirtschaftlich wie politisch wieder einigermaßen zu stabilisieren. Er stand in Konkurrenz zu Frankreich, Preußen, England und dem zaristischen Russland. Er ahnte noch nichts von den fundamentalen gesellschaftlichen Umbrüchen, den kommenden Kriegen und dem Zerfall seines Reichs. Österreich erstreckte sich damals bis nach Transsylvanien im heutigen Rumänien und von Serbien und Venetien bis Böhmen. Knapp 40 Jahre später zerfiel es in viele vergleichsweise kleine Nationalstaaten…

Politische Last und identitätsstiftende Größe

Aus unserer heutigen, demokratischen, liberalen Sicht hat der Historismus keinen besonders guten ‘Ruf‘ und dennoch ist nahezu ausnahmslos jeder Besucher, der das Kunsthistorische Museum betritt alleine von der Dimension des Baus, der räumlichen Qualität, der wertvollen und gediegenen Ausstattung und den gezeigten Kunstschätzen auf eine eigentümliche Art beeindruckt und ergriffen. Obwohl ich das Gebäude seit Jahrzehnten kenne und immer wieder gerne besuche, hat dieser ’Zauber‘ nichts von seiner Wirkung eingebüßt.
Für Österreich stellt das KHM gewiss einen identitätsstiftenden Kristallisationspunkt dar.

Das Prinzip des ‘pars pro toto‘

Mit keinem Foto ist diese Wirkung auch nur ansatzweise ’einzufangen‘ oder einem Betrachter nahe zu bringen. In solchen Situationen bleibt einzig und allein die Methode des ’pars pro toto‘, also der Weg, ein Teil auszuwählen, das ’für das Ganze‘ steht, um diese ’Atmosphäre‘ zu vermitteln. Will man das bildhaft weiter verdichten und steigern, scheint mir die Methodik der Darpanagrafie mit ihren Details und Redundanzen besonders gut geeignet. Darpanagrafie steht mit ihrer immanenten Verdeutlichung mehrschichtiger Bildstrukturen auch symbolisch für den Strukturwandel als fortlaufender gesellschaftlicher Prozess.


Kommentare

Eine Antwort zu „Historismus und Kunstbetrachtung im Wandel der Zeit“

  1. Avatar von Heinz Froelian
    Heinz Froelian

    Wien ist mehr als eine Reise wert und das Kunsthistorische Museum ist auch für uns einer der Höhepunkte genauso wie das Albertina.

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