Ein Skandal der keiner war

Der international hoch anerkannte Regierungschef trieb die Modernisierung der damals noch etwas ‘verstaubten‘ Donaumetropole und die städtische Entwicklung des linken (östlichen) Donauufers in Wien zielstrebig voran. Die Opposition füllte die ihr zugewiesene Rolle in einem demokratischen Staat so gut sie konnte aus und war bemüht, aus den Plänen der Regierung einen ‘Skandal‘ zu evozieren. Das alles ist inzwischen gut vierzig Jahre her und weitestgehend vergessen. Nach der demokratischen Öffnung Osteuropas in den Achtziger- und Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts und der weiteren Entwicklung kann die überwiegende Mehrzahl der Bürger und Besucher dieser wunderschönen Stadt Wien wohl froh und dankbar sein, dass die Opposition damals erfolglos blieb.

Was Fotografie erzählen kann und was nicht

Als ich diesen Teil der Stadt wiederentdeckte, war das alles bereits Geschichte und die allermeisten Gebäude in der UNO-City und ihrer Umgebung seit mehr als zehn Jahre in Betrieb. Es war eine noch milder Spätherbstmittag mit regem Treiben zwischen den wohl der ’Postmoderne‘ zuzuordnenden Bauwerken rund um das ’Austria Center Vienna‘(*), dem größten Kongresszentrum Österreichs. Nach wenigen aufgrund der Lichtverhältnisse unbefriedigenden Fotos beschloss ich, zur Zeit der ’blauen Stunde‘ wiederzukommen und dann erneut mein Fotoglück zu versuchen.

Die Situation und Atmosphäre war eine völlig andere, als ich zu Beginn der Folgewoche wieder in der UNO-City war. Zwar war der Himmel einigermaßen klar, aber es war kalt geworden und auf den weitläufigen Flächen zwischen den Gebäuden waren kaum Menschen unterwegs. Ein scharfer Wind aus Nordosten wirbelte um die Gebäude und machte den Aufenthalt im Freien ziemlich ungemütlich.

Nach über einer Stunde packte ich meine Fotoausrüstung wieder zusammen mit dem guten Gefühl, doch einige gelungene Aufnahmen mit nach Hause zu nehmen.

Auf der Rückfahrt in mein Quartier beschäftigt mich die vor vielen Jahren bei Berthold Brecht gefundene Paraphrase, dass ‘das Foto einer Fabrik nichts über die Produktionsverhältnisse zwischen dem Fabrikbesitzer und seinen Arbeitern aussagt oder aussagen kann‘ …

Alle Jahre wieder …

Beinahe zehn Jahre später stieß ich in meinem Archiv auf dieses Foto und spontan regt sich in mir die Neugierde, ob es gelingen könnte, daraus ein ’gutes‘ Darpanagram zu entwickeln? Es war gerade wieder ‚Adventzeit‚.
Damals stand ich noch ganz am Anfang dieser immer noch spannenden und aufregenden Entdeckungsreise. All die Fragen, die mich rund um die Glaubwürdigkeit der Fotografie als bilderzeugendes Verfahren und unsere humanbiologischen Wahrnehmungsfähigkeiten immer wieder beschäftigen, berühren formalästhetische Kompositionskriterien ebenso wie inhaltliche Fragen und unsere auch emotionalen Reaktionen auf das, was wir erkennen oder zu erkennen glauben.  

Kunst als Fragestellung und ‘Spiel‘ mit Ambivalenzen

Die Bauprinzipien meiner Dapanagramme sind Abbild dieser Vielschichtigkeit der – letztlich gesellschaftlichen – Fragestellungen. Gleichzeitig sind sie künstlerisches Spiel mit den damit verbundenen, jeweils nur individuell (wenn überhaupt) zu klärenden ’verborgenen‘ Ambivalenzen…


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