Schwarzweißfotografie als Abstraktion
Die Welt war immer ‘bunt‘
Ich halte es für sehr hilfreich, gelegentlich Aussagen, die uns spontan sehr trivial erscheinen, auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Bedeutung für unsere alltägliche Wahrnehmung und hier speziell auf unsere Sehgewohnheiten hin zu überprüfen.
Mindestens die ersten rund 80 bis 90 Jahre, seit es fotografische Dokumente überhaupt gibt, sind in unserem kollektiven Gedächtnis durch das technische Unvermögen geprägt, farbige Fotoabbildungen zu erzeugen. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und zumindest das erste Drittel des 20. Jhs. kennen wir, von farbigen Malereien, Druckgrafiken (beispielsweise die Farblithografien von Toulouse Lautrec) und einigen wenigen handkolorierten Fotografien abgesehen, nur in schwarzweißen Zeitdokumenten. Und so hat sich diese Epoche in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt.
Aber: Die gegenständliche Welt war immer ’bunt‘!
In den (bilderzeugenden) Künsten besteht das Konzept der Abstraktion, also das bewusste Weglassen von ’unwichtigen‘ Elementen oder Komponenten, um die Bildaussage auf das für ’wesentlich‘ Gehaltene zu kondensieren. Im Falle der Fotografie erzwang das technische Unvermögen dieses (weitestgehende) Weglassen der Farbe als visuelle Informationskomponente und damit einen sehr hohen Abstraktionsgrad, den wir uns heute meist nicht wirklich bewusst machen.
Monochrome Fotografie ist etwas anderes …
Heute stehen der Fotografie alle Möglichkeiten (auch unter ökonomischen Aspekten) zur Verfügung. Es ist die grundsätzlich die freie Entscheidung des Fotografen, ob er sich für oder gegen eine farbige Darstellung entscheidet, dem Schwarzweißfoto eine Grundtönung hinzufügt oder -und das ist ein anderes Gestaltungswerkzeug- er sich bereits bei der Aufnahme durch die bewusste Wahl des Bildausschnitts für eine mehr oder weniger konsequente Monochromie seines Fotos entscheidet. Unabhängig davon, welches Werkzeug ein Bilderzeuger benutzt, geht in der Kunst immer um ‘Reduktion‘ um eine Aussage auf Wesentliches zu kondensieren, also um Abstraktion.
Dramaturgie der leisen Töne
Bei diesem Darpanagram habe ich mich aufgrund der reduzierten, leisen Farbigkeit des Ausgangsmotivs bewusst für einen ’leisen‘ oder auch ’neutralen‘ Hintergrund entschieden. Manche Textpassagen beispielsweise in Theaterstücken oder auch Akkorde in Musikaufführungen verlangen im dramaturgischen Kontext geradezu danach, leise vorgetragen zu werden und fordern vom Publikum, ganz genau hinzuhören und auf Details zu achten, um ihre volle Wirkung entfalten zu können.
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