Kontinuum und Ausschnitt
Jeder Mensch bewegt sich in s-/einem Raum-Zeit-Kontinuum, das er zeitlebens nicht verlassen kann. So gesehen ist jedes Bild, das wir uns von unserer Welt versuchen zu machen oder in sie zu bringen ein aus der Wirklichkeit gerissenes winziges Teilchen.
Besonders mit und an fotografischen Techniken lässt sich das recht anschaulich bewusst-machen.
Im Prozess der fotografischen Aufnahme erzwingt die technische Apparatur – durch die Wahl der Kamera, der Filmgröße in Kombination mit der gewählten Optik, der gewählten Kameraposition im Raum, dem gewählten Aufnahmezeitpunkt und der gewählten Belichtungszeit und in Abhängigkeit davon der gewählten Blende – die Determinanten des ‘Schnipsels‘ aus dem Raum-Zeit-Kontinuum, das wir der allumfassenden Realität entreißen, es aber dennoch als ’Beweis‘ postulieren und betrachten.
Damit nicht genug.
Bildgröße, Proportion und Form als Gestaltungsfaktoren
Mit der Entscheidung, in welcher Umrissform, in welcher Größe und in welchen Proportionen der Fotograf/die Fotografin oder jede/r Bilderschaffende ein Bild in die Welt bringt und es damit zu einem Teil der Gesamtwirklichkeit werden lässt, nimmt sie/er Einfluss darauf, was wir als und von der Realität wahrnehmen, wie ein Bild auf uns Betrachter wirkt und somit wieder auf die Gesamtwirklichkeit selbst.
Immer wieder in meiner fotografischen und künstlerischen Laufbahn hatte und habe ich immer noch Phasen, in denen ich das Quadrat als Optimum meines (harmoniebedürftigen) Gestaltungswillens anstrebe. Je länger solche Phasen andauern, desto größer wird in mir der Wunsch, solche selbstauferlegten Rahmen zu sprengen und mit anderen Formaten zu experimentieren.
Rechtwinkeliger Formenschluss oder …
Solange ich ’nur‘ das Seitenverhältnis meines (geradlinigen) Bilderrahmens infrage stelle, akzeptiere ich die Rechtwinkeligkeit meiner Bildbegrenzung als ’Dogma‘ und bewege mich als Künstler immer noch innerhalb eines Rechtecks als Gestaltungsrahmen. Sprenge ich (auch) dieses, erweitere ich zwar meine Ausdrucksmöglichkeiten bis hin zur ’free floating‘ Form mit all ihren schier unendlichen Gestaltungsvarianten. Gleichzeitig muss ich mir aber die Frage stellen und gefallen lassen, inwieweit das inhaltlich sinnvoll, praktikabel und letztlich auch ökonomisch vertretbar ist.
Rahmen als ’Zwangsjacke‘?
Genau solche Überlegungen führen vermutlich dazu, dass beinahe alle bildhafte Kunst auf rechteckigen Flächenformen von Künstlern gestaltet oder in solchen zur Präsentation gerahmt werden (Tafelbild). Daneben gibt es runde, elliptische oder mehreckige gestaltete Flächen bis hin zu ungerahmten Kunstwerken auf natürlichen oder geschaffenen Untergründen und Flächenbegrenzungen (Höhlenmalerei, Fresken, Graffiti, Murals). Unabhängig davon, unter welchen formalen oder inhaltlichen Kriterien ich mich als Künstler für die Begrenzung eines Kunstwerks entscheide, akzeptiere ich damit gleichzeitig Teil eines größeren Ganzen zu sein.
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